Everyday we love you more and more – Kaiser Chiefs live in Berlin

Kaiser Chiefs Live Berlin 2020

Oh my God, I can’t believe it“ wird sich der ein oder andere Fan gedacht haben, als die Kaiser Chiefs eine Mini-Tournee durch Deutschland angekündigt haben. Das macht Sinn, denn mit dem relativ neuen Album Duck im Gepäck ist eine Stippvisite in der Indie affinen Bundesrepublik längst überfällig. Die Berliner Venue ist mit dem Metropol zwar pittoresk, aber doch recht klein gewählt, so dass das Konzert bereits weit vorab ausverkauft ist. Umso besser ist daher die Stimmung bei den Fans, die sich rechtzeitig um eine Karte gekümmert haben und am heutigen Abend dem grauen Wetter mit sonnigem Gemüt ein Schnippchen schlagen.

Betterov

Doch vor die Indieparty haben die Götter Betterov gesetzt. Ein junger, aufstrebender Musiker, der versucht mit deutschen Titeln und tanzbarem 80ies Sound durchzustarten. Trotz der musikalischen Nähe zu angesagten Gruppen wie Drangsal oder Messer will der Funke zum Publikum noch nicht ganz überspringen.  Aber das macht gar nichts, denn noch ist kein Meister vom Himmel gefallen und mit Erscheinen der Debüt EP Viertel vor Irgendwas im März wird Betterov bestimmt noch viele Möglichkeiten haben, neue Fans dazuzugewinnen. Das Zeug dazu haben er und seine Liveband auf jeden Fall! Eingängige Melodien, Texte mit Gehalt und ein sympathisches Auftreten sind die Trümpfe, die Betterov nur noch ausspielen muss.

 

Kaiser Chiefs

In der kurzen Umbaupause füllt sich das wirklich viel zu klein gewählte Metropol zusehends. Zu Konzertbeginn ist das Theater dann so proppenvoll, dass wirklich kein Plätzchen für Zaungäste frei bleibt. Durch die vielen Säulen und noch zusätzlich abgesperrte Bereiche auf den Balkonen wird der Saal noch zusätzlich verkleinert. Aber als die Kaiser Chiefs direkt glanzvoll mit „People know hott o love each other“ von der neuen Platte anfangen, ist aller Gram vergessen. Ab der ersten Sekunde bewegt sich eine Welle der Freude durch das Metropol und schwappt potenziert zurück auf die Bühne zu den Musikern um Frontmann Ricky Wilson. Die bedanken sich umgehend mit dem Klassiker Na Naa, der zugegebenermaßen nicht den tiefgründigsten Textbaustein der Kapelle widerspiegelt. Aber das ist den Zuschauern egal, denn feiern kann man auch dazu hervorragend. Nicht vom Text abgelenkt schwenkt der Blick etwas näher auf die Bühne. Der Bandname prangt in Glühbirnen anstatt eines Backdrops, Keyboarder  Peanut und Drummer Vijay sitzen erhöht im hinteren Teil, leider nur partiell beleuchtet, während sich Frontmann Ricky sowie Gitarrist Andrew und Bassist Simon sich den vorderen Teil der Bretter, die die Welt bedeuten, teilen. Wobei, was bedeutet schon die Welt, denn „Everything is average nowadays“, nicht wahr? Die Setlist plätschert fröhlich vor sich hin, bis sich Track Neun, der Überhit „Everyday I love you less and less“ über das Metropol ergießt. Ab diesem Moment gibt es kein Halten mehr und das durchschnittlich Mittdreißiger Publikum katapultiert seine Ausgelassenheit so gewaltig nach vorne, dass wirklich keiner mehr sagen kann, nur Millennials können feiern. Die „Irgendwas zwischen Boomer und Generation Y“ kann es auch. Aber wie! Beim anschließenden Ruby tanzen die Fans buchstäblich bis unters Dach. Props gehen raus an die Ringelreihen-Gruppe auf dem zweiten Balkon links, die zwar nichts gesehen haben, aber jeden Song in glücklicher Umarmung mitgehüpft sind. Glückseligkeit in Reinform. Auch Revoluzzer kommen auf ihre Kosten, denn nachdem der nicht müde werdende und posierende Ricky „I predict a riot“ schreit, wird das Metropol in ein bedrohlich rotes Licht getaucht, und die ersten Takte von „the angry mob“, dem letzten regulären Song der Setlist, ertönen. Wilson stachelt das Publikum an, die Fäuste in die Luft zu strecken und rekrutiert auf einen Schlag seine private Berliner Armee, die sich gehen alles Schlechte in der Welt auflehnt. Auch der Besucher, der situationsbedingt seine Krücke unterstützend in die Luft hielt, sei an dieser Stelle gegrüßt – Voller Einsatz für die gute Sache!

Doch ohne Zugabe werden die Kaiser Chiefs nicht entlassen. „Record Collection“ und  „Pinball wizard“ bereiten den Weg für das ultimative Finale: Bereits am Intro erkennen die Fans das langersehnte „Oh My God“, von dem es dann auch eine etwas längere Liveversion inklusive vielen skandierten Refrains gibt, bis der Vorhang des Abends fällt und die Fans freudig in das nasskalte Berlin entlassen werden.

Der Sound ist durchweg akzeptabel, was von einem Theater auch zu erwarten ist. Lediglich die Engpässe nach Konzertende verzeihen im Ernstfall keine Zwischenfälle. Der Merch der Kaiser Chiefs verdient besondere Beachtung, denn nicht nur Sporttaschen für läppische 35€ sind im Gepäck, sondern auch Socken, Badeenten, ein Küchentuch und anderer Firlefanz, den man zwar nicht braucht, aber trotzdem haben will. Durch die fanfreundlichen Preise kann man hier auch beherzt mehrmals zuschlagen ohne Insolvenz anmelden zu müssen.

Redaktion und Fotocredits: Désirée Pezzetta

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